
Anwälte lieben Regeln. Sie ordnen das Chaos. Sie beseitigen Unsicherheiten. Sie unterstützen moralisches Aufflackern. Es steht im Gesetz, dass es nicht erlaubt ist. Nicht der Anwalt ist der Spielverderber. Zumindest in der selbstreflektierten Wahrnehmung. Natürlich nicht für den Mandanten. Shoot the messenger. Vielleicht sind Anwälte aber auch nur sehr an Regeln gewöhnt. Das täglich Brot.
Wie schön ist es da, wenn man die Regeln plötzlich selbst bestimmen und verändern kann. Auf dem Schulhof wurde man als Besserwisser verprügelt. Und jetzt: Macht. Der innere Sadist reibt sich die Hände. Natürlich kommt in diesen Genuss erst derjenige, der die Stufen der flachen Hierarchien nach oben geklettert ist. Wobei „flach“ hier lediglich meint, dass es nicht viele, aber dafür eine sehr große Hürde gibt. Partner vs. alle anderen. Die lustigen Zwischenbezeichnungen zählen am Ende nichts. Sie sind ja auch in jeder Kanzlei anders. Nicht vergleichbar. Jeder macht seine eigenen Regeln. Womit wir wieder bei den Regeln wären. Nachfolgend einige Beispiele:
1. Stets die Erwartungen und Wünsche der Partner antizipieren, auch wenn gar nicht kommuniziert;
2. Auch als Berufsanfänger gerne sofort „verantwortlich fühlen“;
3. An Feiertagen und Wochenenden stets einsatzbereit sein, Reaktionszeit auf E-Mails unter einer Stunde erwartet;
4. Das gilt auch für freie Teilzeittage, da sie kein Urlaub, sondern Wochenenden und Feiertagen vergleichbar sind;
5. Ansonsten Teilzeittage bitte entsprechend der anfallenden Arbeit flexibel verschieben;
6. Dann aber nicht mehrere verschobene Teilzeittage hintereinander legen;
7. Teilzeittage nicht mit Urlaub kombinieren, da sie kein Urlaub sind (siehe Regel 4);
8. Arzttermine ausschließlich an freien Teilzeittagen (am liebsten gleich im Urlaub) bzw. freie Tage dorthin verschieben;
9. Operationen nur an Freitagen und soweit Teilzeit vorhanden, freien Tag auf OP-Tag verschieben (am liebsten aber gleich im Urlaub);
10. Krankheit möglichst bis zum Wochenende oder Urlaub schieben;
11. Bei Krankmeldung Rundmail an das gesamte Büro, jeder muss jederzeit über alles informiert sein;
12. Immer mindestens 2 Personen aus jedem Team im Büro vor Ort anwesend;
13. Urlaube der Partner gehen stets vor;
14. Insbesondere an Tagen mit wenig Arbeitsbelastung kein Home Office, sondern vor Ort im Büro „ansprechbar sein“;
15. Wenn Urlaub länger als 2 Wochen, auch im Urlaub stets arbeitsbereit sein (Laptop nicht vergessen);
16. Abendliche Verpflegung auf Dienstreisen wird stets erstattet, wenn auch ein Partner anwesend war, sonst nicht, und vor allem nicht, wenn nur ein Associate-Kollege dabei war;
17. 5-Sterne-Hotels sind in Ordnung, Höhe der Taxirechnungen ist egal, aber bitte kein Wasser aus der Minibar.
Selbstverständlich ist diese Auflistung nicht abschließend. Regeln werden flexibel angewendet. Regeln stehen niemals von vornherein fest. Regeln können sich jederzeit ändern. Von den weitergehenden Implikationen wollen wir gar nicht sprechen. Ein Urlaubsantrag gestaltet sich gerne mal wie eine Bestellung bei Burger King. Da denkt man, alles wurde berücksichtigt, alle Informationen mitgeteilt und schafft es doch nicht ohne Rückfrage.
Aber eigentlich braucht man gar keine Regeln. Man ist ja schließlich ganz entspannt. Man vertraut den Mitarbeitern. Man pflegt einen offenen Umgang, ein fröhliches Miteinander. Für Kontrollwahn kein Platz.
In der Regel.