Gewinn

Gewinn

Kanzleien sind ein seltsames Habitat. Beheimaten eine ungewöhnliche Variante der Spezies “Akademiker”. Eine verwandte Gattung findet sich in Gerichtskantinen. Same same but different. Von Kanzlei zu Kanzlei beobachtet man unterschiedlichste Kulturen der jeweiligen Sippe. Entsprechend kommt es neben den üblichen Revierkämpfen regelmäßig auch zu Abgrenzungsbemühungen. Kooperatives Verhalten nur gegenüber der eigenen Gruppe. Wir haben einen Award gewonnen. Ihr nicht. Wir zahlen das höchste Einstiegsgehalt. Ihr nicht. Wir bieten Teilzeit. Mist, ihr auch.

Gelegentlich kann es innerhalb der Kanzleien zu speziellen eng verknüpften Kleingruppen kommen. Zumeist betrifft dies eher die jüngeren Mitglieder. Wobei die Grenzen zwischen den verschiedenen Mitarbeiterstämmen recht fließend sind. Nicht nur Anwälte, auch wissenschaftliche Mitarbeiter, Referendare und Support können integriert werden.

Zeitlich sind diese Gruppenbildungen jedoch begrenzt. In Anbetracht der Fluktuationstendenzen nicht verwunderlich. Für Mitglieder der Kleingruppen ist das unvermeidliche Auseinanderbrechen nahezu traumatisch. Zeit für exzessiven Abschiedsritus. Ausstände feiern. Fotobücher basteln. Betrunkenes In-den-Armen-Liegen. Wiedersehensversprechen. Erinnerungen an Abifeiern. Katerstimmung.

Gemeinsam erlebte Extremsituationen im Kanzleialltag schweißen nun mal zusammen. Nächte gemeinsam durchgearbeitet. Direkt aus dem Büro noch auf einen Drink. Wochenenden mit Kanzleiveranstaltungen gefüllt. Wine&Cheese. Tagelange Fortbildungen im Ausland. After-Work-Bar. Projektarbeit beim Mandanten vor Ort. Weihnachtsfeier. Seminare in abgelegenen Hotels im tiefsten Hessen. Betriebsausflug. Ziemlich Glück gehabt, wenn die Kollegen gleich ticken. Klassenfahrt. Seriosität nur nach außen.

Ist auch praktisch. Freunde im Büro. Nicht nur abarbeiten und dann schnell in den Feierabend. Lunch mit den Mädels. Fließende Übergänge. Sollten Arbeitgeber nicht unterschätzen. Zumindest um seine Freunde zu sehen, geht man gerne ins Büro. Kennt man. Schule. Erwachsenen Berufsalltag hat man sich anders vorgestellt.

Insgesamt aber nur Verzögerung. Aufschub. Der Zustand ist nicht von Dauer. Das Karrierekarussell dreht sich weiter. Nach 3-4 Jahren ist Schluss. Die ersten gehen. Langsam wird es ernster. Erinnerungen bleiben. Der harte Kern verliert sich nicht. Geografie hat keinen Einfluss.

Good times.

Ein Kommentar zu „Gewinn

  1. Du scheinst ja nicht die einzige zu sein. Und deine Erlebnisse sind offensichtlich nicht uf Europa beschränkt. Michelle Obama äußert in ihrer Biografie „Becoming“ ganz ähnliche Situation und Gedanken….

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