Sommer

Sommer

Hitze betrifft alle. Nun ja, mehr oder weniger. Großkanzleien sind in amerikanischer Tradition oft auf Kühlschrankniveau downgekühlt. Besser, es wird versucht, diese Möglichkeit zu bieten. Die Klimaanlagen hingegen weigern sich beständig, den Wünschen ihrer Herren nachzukommen. Zu kalt, zu warm. Man kann von Klimaanlagen nicht die gleiche Dienstbeflissenheit erwarten wie von verängstigten Associates. Maschinen sind offenbar zu klug. Es hilft also nichts: Man zieht den Blazer im Büro an. Oder das Jackett aus. Je nach Kühlungssituation. Besonders komplex wird es für wissenschaftliche Mitarbeiter, die sich Büros teilen müssen (auch Anwälte fangen mal klein an). Der stabile Großbauernspross kühlt auf 16 Grad runter. Die zarte Ballerina erfriert fast. Aber auch im niedersächsischen Hinterland hat man Manieren gelernt. Problemlösungsstrategie wird entwickelt. Er bringt Omas elektrischen Fußwärmer mit. Geregelt.

Hochsommerliche Hitzewellen führen schließlich zu Dresscode-Abweichungen. Ab 30 Grad schmilzt die Selbstkontrolle. Strenge Partner im hellen Sommer-Safarianzug. Ohne Krawatte. Ohne Jackett in der Mittagspause. Eventuell werden Hemdsärmel hochgekrempelt. Wenn es ganz schlimm ist. Gewagt. Manch Anwältin traut sich gar, auf Strumpfhosen zu verzichten. Skandal! Gerüchteweise hört man von argen Grenzüberschreitungen mutigster Partner: Jeansshorts. Auf Visualisierung möchte man verzichten. Dennoch Chapeau. Als Konsequenz zieht das Management selbstverständlich die Zügel wieder an. Keine Entgleisungen mehr. Dunkle Anzüge. Für alle. Immer. Was sollen sonst die protokollfesten britischen Kollegen denken? Und die Mandanten erst? Interpretationsversuch der Partnerriege: Bei exorbitanten Stundensätze erwarten Mandanten, dass Anwälte immer in Schlips und Kragen sind. Auch am Telefon. Auch wenn niemand sie sieht. Eigentlich auch in der Freizeit. Aber die gibt es ja eh nicht. Ein Glück. 

Diese fehlende Freizeit materialisiert sich im Sommer auch optisch. Der gemeine Anwalt mit nobler Blässe. Alle anderen mit plebejischer Sonnenbräune. Freibad oder See kennt man nur noch aus Studientagen. Schön war die Zeit. Damals. Als Partner kann man sich wenigstens am Sonntag für ein Stündchen in den hauseigenen Pool werfen. Oder auch als Frühsport um 5 Uhr morgens. Man startet frisch und erholt in den Tag. 4 Stunden Nachtruhe sind völlig ausreichend. Handy natürlich am Beckenrand für Responsiveness in jeder Lebenslage.

Und wenn der Associate aus Versehen doch mal frei hat im Sommer? Wie ging das gleich noch? Fahrrad, Park, Decke? Und dann?

Schlafen.

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